Sie hat einen der stressigsten Jobs der Welt: Jaqueline Klemke übersetzt simultan vom Deutschen ins Englische und umgekehrt. Auf internationalen Konferenzen zu komplexen technischen Themen sitzt der gebürtige Frankfurter hochkonzentriert in einer Kabine und übersetzt.
Frau Klemke, was ist das Besondere am Simultandolmetschen?
Du machst alles gleichzeitig. Während ich zuhöre, den Inhalt verarbeite und selbst in der Zielsprache spreche, spricht der Sprecher natürlich weiter. Außerdem drückt sich jeder Sprecher anders aus und strukturiert Gedanken anders. Und diese simultanen Prozesse finden in Millisekunden statt.
Was tun, wenn Redner den Faden verlieren?
Ich kann an der einen oder anderen Stelle ein paar rhetorische Schleifen nehmen, ohne irgendwelche Informationen hinzuzufügen, oder ich kann mein Sprechtempo anpassen, bis der Sprecher den Faden wiedererlangt. Es gibt jedoch Momente, in denen die Emotion wichtiger ist als die Sprache, und das sollten die Zuhörer erkennen. Insgesamt ist empfängerorientiertes Dolmetschen wichtig: Auf einem Kongress zur Trauerbegleitung müssen wir anders sprechen als auf einem Finanzkongress, wo es nur um Zahlen, Daten, Fakten geht.
Wie gehen Sie mit den unterschiedlichen Satzstrukturen von Deutsch und Englisch um?
Sie kennen das Thema oder den Sprecher gut und antizipieren das Gesagte geschickt. Im Deutschen kann es aber vorkommen, dass nach dem Satzanfang „Dann haben wir uns für das neue Projekt entschieden …“ mehrere Nebensätze folgen und der Satz dann so endet: „…beschlossen, das Projekt zu schrubben“ . Damit wir Interpreten in so einem Fall nicht in eine ganz andere Richtung davongaloppieren, müssen wir die Struktur etwas aufbrechen und kleinere Sätze mit Sinneinheiten bilden, die wir verarbeiten können. So gewinnen wir Zeit, ohne die Botschaft zu verfälschen.
Was macht Ihnen mehr Spaß, vom Englischen ins Deutsche oder umgekehrt zu übersetzen?
Vom Deutschen ins Englische. Die deutsche Sprache ist sehr komplex. Dadurch ergeben sich viele Kombinationsmöglichkeiten. Es gibt Menschen, die sehr bildlich sprechen. Hinzu kommt der persönliche Stil und Satzbau, die sehr unterschiedlich sein können. „Die Sprache der Dichter und Denker“ – das Deutsche wird nicht umsonst so genannt. Für mich ist es immer wieder faszinierend.