Der Star, der aus dem Nichts kam

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Für das auf YouTube zu sehende „Not Angry“-Video haben sich Chris James und seine jüngeren Geschwister 2020 im Garten ihrer Oma in Hilden bei Düsseldorf zusammengefunden. Chris singt und spielt E-Gitarre, während sein Bruder und seine beiden am Keyboard sitzen Schwestern spielen Ukulele und Bass. Allerdings spielt keines seiner drei Geschwister ein Instrument. Insgesamt kostete das Video: nichts. Trotzdem macht es Spaß und strahlt Authentizität und eine spielerische Leichtigkeit aus. Die ersten chinesischen Kommentare kamen kurz nach der Veröffentlichung, gespickt mit Herzen und Daumen nach oben. Der 26-Jährige ist fassungslos. Er übersetzt die chinesischen Schriftzeichen und stellt fest: Er ist in China ein Star geworden.


Wie ist das möglich? Der YouTube-Kanal des jungen Singer-Songwriters hat gerade einmal 218.000 Abonnenten und sein Track „Not Angry“ wurde 600.000 Mal aufgerufen. Auf Douyin sieht das Bild jedoch ganz anders aus. Wie Chris James in einem Videointerview erklärt, ist Douyin die chinesische Originalversion von TikTok. Als er die App heruntergeladen hatte, konnte er einfach nicht aufhören zu scrollen. „Immer wieder tauchten neue Videos auf“, sagt er, während unzählige junge Chinesen seinen Hit auf Douyin mitsingen. Oder besser gesagt, sie summen und murmeln und grunzen „Oh Boy“, die einzige Zeile aus dem Intro. Er ist in neun Millionen Clips auf Douyin zu sehen, sagt Chris James.

Oh Junge“ seufzend

Wie der Hype begann, lässt sich nicht mehr rekonstruieren, da die Videos nicht chronologisch geordnet sind. Chris James vermutet, dass ein Douyin-Star seine Spur aufgegriffen hat, aber warum es viral geworden sein sollte, bleibt ein Rätsel. Das mag zum Teil dem selbstgedrehten Video mit seinen jüngeren Geschwistern zu verdanken sein, die so authentisch und ungestylt wirken. Oder weil er „Oh Boy“ seufzt, etwas, das er ursprünglich aus dem Video herausschneiden wollte. Sein Bruder riet ihm, es drin zu lassen. Es ist ein kurzes Aussetzen am Anfang des Songs, etwas scheinbar Zufälliges und Echtes. Am Ende liegt es am Mysterium der Algorithmen.
Chris James wollte schon als Teenager ein Star werden, aber er hätte nie damit gerechnet, dass es so schnell gehen würde. Der in Kalifornien geborene Christopher James Brenner hat eine deutsche Mutter und einen amerikanischen Vater. Als er noch im Kindergartenalter ist, zieht die Familie in die nordrhein-westfälische Kleinstadt Hilden. Dort wächst er in einem sehr bodenständigen Umfeld auf: Seine Mutter arbeitet als Inspektorin im Im- und Exportgeschäft und sein Vater ist Englischlehrer. Mit 15 Jahren lernt Chris Gitarre spielen und komponiert seine ersten Songs in seinem Schlafzimmer. Es ist eine Zeit, in der seine Klassenkameraden Bands gründen, also beschließt Chris, Musiker zu werden.

Unter dem Namen Chris Brenner covert er Songs von Künstlern wie Ed Sheeran und Coldplay. Im Laufe von zwei Jahren lädt er jede Woche ein Video auf YouTube hoch und gewinnt nach und nach eine Fangemeinde. Nach der Schule zieht Chris von seiner Heimatstadt ins nahe gelegene Düsseldorf und studiert ein Semester Informatik. Aber er geht viel lieber als Straßenmusikant auf und tritt auf Geburtstagsfeiern, Hochzeiten und kleinen Konzerten auf. 2018 bringt er sein erstes Album „Mellow!“ auf den Markt. unter seinem Künstlernamen. Mittlerweile schreibt er zwar seine eigenen Songs, seinen eigenen Sound habe er aber erst 2020 mit seinem Umzug nach Berlin gefunden, erzählt der Künstler: Schlafzimmer-Indie-Pop.

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